Der Wandel der Verfassung und seine Grenzen

Das BVerfG ist der verfassungsrechtlich bestimmte Letztinterpret der Verfassung. Seine Aufgabe ist es, einerseits das Grundgesetz zum Sprechen zu bringen und in der Zeit zu halten und andererseits seine zentralen Aussagen zu bewahren.
Lesen Sie den Beitrag aus der JuS von Prof. Dr. Dr. h.c. Voßkuhle.

 

Wie jedes staatliche Handeln ist auch das Handeln des BVerfG rechtfertigungsbedürftig. Für die Verfassungsrechtsprechung rücken daher unter Rationalisierungsgesichtspunkten vor allem ihre Methoden in den Fokus: die klassischen Interpretationsmethoden (Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Systematik und Telos), ergänzt um Auslegungsprinzipien wie die Einheit der Verfassung, die praktische Konkordanz oder die funktionelle Auslegung, aber auch die Völker- und Europarechtsfreundlichkeit der Verfassung.

 

Nicht jede Form einer Verfassungskonkretisierung führt dabei zu einem Verfassungswandel. Vielmehr erschöpft sich ein Großteil der Entscheidungen des BVerfG in der Aktualisierung des Bestehenden.

 

Um einen Wandel geht es jedoch dann, wenn der ursprüngliche Sinn einer Verfassungsnorm ohne Änderung des Verfassungstexts geändert wird. Spricht man von Verfassungswandel, wird das dynamische, das zukunftsoffene Moment des Grundgesetzes besonders betont und aktiviert – und gleichzeitig werden dessen Grenzen abgeschritten. In diesem Sinne ist Verfassungswandel auch nicht das Gegenteil von Verfassungsinterpretation, sondern eine ihrer besonderen Spielarten.

 

Der Beitrag beleuchtet das Spannungsverhältnis zwischen dem Wandel der Verfassung und seinen Grenzen im Lichte der Verfassungsrechtsprechung des letzten Jahrzehnts. An einigen Entscheidungen wird schlaglichtartig aufgezeigt, inwiefern das BVerfG die Wirklichkeitsoffenheit des Grundgesetzes mit Leben füllt und ihr gleichzeitig Grenzen setzt.

 

Hinweis: Bei dem Beitrag handelt es sich um eine Zusammenfassung des Beitrags in der JuS 5/2019

 

Der Autor

Prof. Dr. Dr. h.c. Andreas Voßkuhle
Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Vorsitzender des Zweiten Senats und Mitherausgeber der Fachzeitschrift Juristische Schulung

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