Notar-Altersgrenze: Mit 70 Jahren in den Zwangsruhestand?
Von Ulf Schönenberg-Wessel, Kiel
§ 48a BNotO regelt, dass Notare mit Ende des Monats, in dem sie das 70. Lebensjahr vollenden, die Altersgrenze erreichen und damit ihr Notaramt nach § 47 BNotO erlischt.
Die Regelung dieser Notar-Altersgrenze gilt unabhängig von der Notariatsform sowohl im Bereich des hauptamtlichen Notariats als auch im Bereich des Anwaltsnotariats.
Anwaltsnotar klagt: Altersgrenze für Notare diskriminierend
Am 7. August 2023 hat der Notarsenat des BGH über die Frage verhandelt, ob die Altersgrenze von 70 Jahren für Notare gegen höherrangiges Recht verstößt. Der klagende Notar macht geltend, die ausnahmslose Altersgrenze für Notare von 70 Jahren verstoße gegen Art. 21 Abs. 1 EU-Grundrechtecharta sowie Art. 1, Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der RL 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (EU RL 2000/78). Außerdem stelle sie eine unzulässige Diskriminierung des Notars aufgrund seines Alters dar. Die Altersgrenze sei angesichts eines erheblichen Nachwuchsmangels nicht mehr objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt.
Kein Verstoß der Regelung gegen das GG durch ein Notar-Höchstalter
Der Notarsenat des BGH hatte sich in den letzten Jahren immer wieder mit dem Thema Notar-Altersgrenze auseinanderzusetzen. So ist der BGH etwa in seinem Beschluss vom 17. März 2014 noch davon ausgegangen, dass die Höchstaltersgrenze für Notare nicht gegen das Grundgesetz (GG), insbesondere nicht gegen die Freiheit der Berufswahl (Art.12 Abs. 1 GG) verstößt.
Zu klären: Unvereinbarkeit der deutschen Regelung mit Unionsrecht
Der aktuelle Fall beim BGH liegt hingegen anders, da der klagende Notar nicht die Verletzung des Verfassungsrechts, sondern eine Verletzung des Gemeinschaftsrechts rügt. Das Oberlandesgericht hatte zugunsten des Klägers unterstellt, dass aktuell eine beträchtliche Zahl von Notarstellen unbesetzt bleibt. Der Notarsenat machte jedoch schon in seinem Berufungszulassungsbeschluss v. 14. November 2022 – NotZ (Brfg) 4/22, deutlich, dass das OLG Köln es bei seiner Entscheidung nicht hätte ungeprüft lassen dürfen, ob der Gesetzgeber im Hinblick auf die geltende Altersgrenze für Notare (§§ 48a, 47 Nr. 2 BNotO) einen angemessenen Ausgleich gefunden hat oder der Grundsatz des Verbots der Diskriminierung aus Gründen des Alters ausgehöhlt wird (EuGH, Urteil vom 3. Juni 2021 - C-914/19).
Entscheidung des BGH
Der BGH ist am 21.08.2023 zur Überzeugung gelangt, dass die Altersgrenze für Notare rechtmäßig ist. Die Altersgrenze soll den Generationenwechsel im Notariat erleichtern und den Berufsstand der Notare verjüngen, so dass die Altersgrenze zur Erreichung dieses Ziels nach wie vor erforderlich ist. Die Pressemitteilung des BGH lässt jedoch aufhorchen. Dort heißt es:
„Aus dem für den Zeitraum 2020 bis 2022 eingeholten Gutachten der Bundesnotarkammer zur Anzahl der bestehenden und ausgeschriebenen Stellen und der eingegangenen Bewerbungen sowie zur Verteilung der Notarinnen und Notare in Altersgruppen ergibt sich, dass im hauptberuflichen Notariat bundesweit ein erheblicher Bewerberüberhang herrscht. Lediglich in den Oberlandesgerichtsbezirken, in denen Rechtsanwälte als Notare im Nebenberuf tätig sind (Braunschweig, Bremen, Celle, Frankfurt am Main, Hamm, Oldenburg, Schleswig sowie der Bezirk des Kammergerichts und im Oberlandesgerichtsbezirk Düsseldorf der rechtsrheinische Teil des Landgerichtsbezirks Duisburg sowie der Amtsgerichtsbezirk Emmerich), besteht teilweise ein erheblicher Bewerbermangel. Daraus und aus weiteren statistischen Daten hat der Senat für Notarsachen geschlossen, dass es für den Notarberuf keinen Nachwuchsmangel aus demographischen Gründen gibt. Der Bewerbermangel im Anwaltsnotariat hat andere, seit etwa 2010 bestehende strukturelle Gründe. Dies sind insbesondere die neben der Berufstätigkeit als Rechtsanwalt vorzubereitende und abzulegende notarielle Fachprüfung sowie die sich stetig weiter erhöhenden (auch technischen) Anforderungen an die Ausübung des Nebenberufs.“
Der Autor
Seit 2008 ist Ulf Schönenberg-Wessel Rechtsanwalt in der Kanzlei Siewert Schönenberg-Wessel und Partner in Kiel. Er betreut Mandanten umfassend in allen Bereichen des Notariats und der vorsorgenden Rechtspflege. Seinen anwaltlichen Schwerpunkt hat Ulf Schönenberg-Wessel im Bereich der Vermögensnachfolge, einschließlich der erbrechtlichen Themen im Gesellschafts-, Sozial- und Familienrecht.
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Stand: Oktober 2023