»Das ganze Werk, Kunst genannt, kennt keine Grenzen und Völker, sondern die Menschheit.« So schrieben es Franz Marc und Wassily Kandinsky 1911 für ihren Almanach Der Blaue Reiter. Dieses programmatische Jahrbuch etablierte den Blauen Reiter (ca. 1911-1914) als einen der ersten transnationalen Künstler*innenkreise. Und dieses Credo inspirierte das Lenbachhaus dazu, das Werk der beteiligten Künstler*innen - unter ihnen Gabriele Münter, Alfred Kubin, Maria Marc und Elisabeth Epstein - nicht nur ästhetisch und historisch, sondern in seinen geistigen, sozio-ökonomischen sowie politischen Zusammenhängen zu betrachten. Denn nicht nur mit Worten, sondern auch mit Bildern und Taten setzte sich der Kreis des Blauen Reiter für ein globales, gleichberechtigtes Kunstverständnis ein. Gefangen in der Zeit der kolonialen Weltordnung vor dem Ersten Weltkrieg, gelang es allerdings auch ihnen nicht, eine emanzipatorische Praxis von Kunst jenseits nationaler Zugehörigkeit sowie tradierter Hierarchien und Gattungen umzusetzen.
Für den vorliegenden Ausstellungskatalog des Lenbachhauses ist der im Almanach verfolgte Gedanke einer Gleichberechtigung jedweder Kulturproduktion dennoch grundlegend. Erstmals werden die vielfältigen Verbindungen, die DER BLAUE REITER etwa zu japanischen Holzschnitten, bayerischer und russischer Volkskunst, Kinderzeichnungen, zeitgenössischer Musik sowie zu Kunst aus Bali, Gabun, Polynesien, Neukaledonien, Sri Lanka und Mexiko hatte, in ihrer Gesamtheit präsentiert.