Agiles Arbeiten in der Rechtsabteilung: 5 Tipps für die gute Zusammenarbeit

Agiles Arbeiten hat sich – insbesondere bei Digitalisierungsprojekten – fest etabliert. Mehr und mehr Unternehmen setzen darauf, sollen doch mittels dieser Methode wesentliche Effektivitätssteigerungen einhergehen. Agile Zusammenarbeit ist jedoch ein komplexes und vielschichtiges Vorhaben, die es nicht von der Stange gibt. Damit im Unternehmen ein tatsächlicher Nutzen entsteht, braucht es die qualifizierte Entwicklung und Anpassung an die bestehende Kultur und Prozesse im Unternehmen.

 

Wir befragen zu dem Thema den Unternehmensjuristen Martin Kistermann, Prokurist bei der innogy-Tochter eprimo und Mitautor des Werkes Recht 2030.

 

Was bedeutet agiles Arbeiten für Rechtsabteilungen und externe Anwälte?

Martin Kistermann: Jeder Unternehmensbereich, ebenso wie externe Dienstleister sind aufgefordert, die eingenommene Rolle in regelmäßigen zeitlichen Intervallen kritisch zu prüfen. Die Änderung von Methoden, die maßgeblich das interdisziplinäre Zusammenarbeiten beeinflussen, kann daher nicht unbeachtet bleiben. Agiles Arbeiten erhöht in einem Unternehmen die Anzahl der zu bedienenden Schnittstellen und folglich auch die Komplexität womöglich bisher recht einfach strukturierter Prozesse und deren Vernetzung. Der Druck steigt. Das bedeutet für Rechtsabteilungen sich den prozessualen Erfordernissen des Unternehmens anzupassen und die Schnittstellen erfolgreich zu bedienen. Diese werden durch die Organisation des Unternehmens vorgegeben und orientieren sich nur bedingt an den Bedürfnissen der Rechtsabteilung.

Gleiches gilt für externe Anwälte. War bisher ein Ansprechpartner der Koordinator von Rechtsangelegenheiten, können es in agilisierten Prozessen mehrere werden.

 

Welche besonderen Stolperfallen können auf Rechtsabteilungen/externe Anwälte warten, wenn sie in agil organisierte Projekte eingebunden werden?

Kistermann: Das Projektmanagement muss darauf eingestellt sein, in den richtigen Momenten die jeweilige fachliche rechtliche Expertise hinzu zu ziehen. Um dies zu bewerkstelligen, ist die fachliche Einschätzung der Aufwände erforderlich. Dazu muss eingeschätzt werden, um welchen Grad der Komplexität es sich bei einem Projekt oder einer Aufgabe handelt. Eine Möglichkeit diese Einschätzung vorzunehmen, ist die Anwendung einer sog.Stacey-Matrix. Diese visualisiert den Zusammenhang zwischen der Anforderung und dem Lösungsansatz, d.h., die Genauigkeit, mit der das Projektziel spezifiziert ist und der Kenntnis des Projektlösungsansatzes, mit dem es erreicht werden kann. Auf der X-Achse wird der Grad der Unklarheit eines Projektzieles oder einer Aufgabe abgetragen, auf der Y-Achse dann der Grad der Komplexität. An der den Winkel halbierenden Geraden wird dann die Wahl der Projekt Management Methodik oder die Methode für die Lösung von Aufgaben angezeigt. Diese kann von traditionell bis agil gehen.

Eine Stolperfalle liegt darin, den Grad der Unklarheit oder der Komplexität nicht richtig einzuschätzen. Hierzu bedarf es Methodenwissen und Erfahrung.

Die Abstimmung der Zusammenarbeit kann dann über sog. Kollaborationsplattformen (beispielsweise Confluence, Jira, Kanban) erfolgen. Dort gestellte Aufgaben können bearbeitet und aufkommende Fragen gestellt und beantwortet werden. Rechtliche Berater können als Sparringspartner den juristischen Blickwinkel in die Projektarbeit einbringen. Das bedeutet jedoch, dass nicht nur Fachfragen beantwortet werden, sondern es zulässig sein muss, dass eine aktive Projektarbeit, weit über die eigene rechtliche Verantwortlichkeit hinaus, erbracht wird. Das kann zu erheblichen Mehrwerten führen, wenn rechtliche Fragestellungen frühzeitig und im Projektkontext erkannt und beantwortet werden. Der Mehrwert für das ganze Projekt liegt auf der Hand.

 

Welche Vor- und Nachteile sehen Sie beim agilen Arbeiten für Rechtsabteilungen/externe Berater?

Kistermann: Rechtliche Berater nehmen nicht nur Aufgaben in der Beratung wahr, sondern sind je nach Unternehmensgröße und –zuschnitt auch für Datenschutz, Compliance (Governance) verantwortlich. Eingespieltes, Agiles Arbeiten erhöht die Reaktionsgeschwindigkeit, da der Mitarbeiter des Rechtsbereiches bei der Entstehung von Fragestellungen eingebunden ist und somit kurzfristig, steuernd rechtlich beraten kann, was allerdings für alle Beteiligte mit einem erhöhten zeitlichen Aufwand einhergeht. Es werden jedoch andererseits gutachterliche Stellungnahmen zu abstrakt gestellten und idR aus dem Kontext gerissenen Fragestellungen vermieden, was den vorher investierten Aufwand mehr als kompensieren sollte.

Die Zusammenarbeit mit anderen Bereichen wird intensiviert und die Akzeptanz von juristischer Arbeit im Unternehmen gefördert.

 

Welche zusätzlichen Kenntnisse sind unabdingbar für eine erfolgreiche Zusammenarbeit?

Kistermann: Einerseits sind Branchenkenntnisse von Vorteil andererseits ist das Wissen um unternehmensinterne Abläufe vorteilhaft. Ferner kommt dem Mitarbeiter eine hohe Technikaffinität zu gute. Der Einsatz bisher vielleicht noch nicht bekannter Planungs-, Kollaborations- und Kommunikation Tools ist sehr wahrscheinlich, da sollte keine Scheu bestehen, sich zügig damit auseinander zu setzen. Ziel ist es durch Erhöhung des digitalen Bearbeitungsgrades, Zeit zu sparen. Beispielsweise wird das Versenden von Mails mit Dateianhang und die Archivierung von Dokumentenversionen dann auf ein neues technisches Level gehoben.

 

Welche Voraussetzungen müssen Unternehmen schaffen, damit das Experiment agiles Arbeiten mit Anwälten klappen kann?

Kistermann: Bevor ein agiles Arbeiten mit externen Rechtsanwälten beginnen kann, sind die Voraussetzungen für IT Sicherheit und Datenschutz zu erfüllen und für den Zeitraum der Zusammenarbeit zu gewährleisten. Die Kanzlei muss dementsprechend über die notwendigen technischen Möglichkeiten verfügen. Die zügige interne Vernetzung mit den relevanten Ansprechpartnern und die Abstimmung der einzunehmenden Rolle ist wichtig, um ein möglichst reibungsloses Arbeiten zu ermöglichen.

 

Wie sollten sich Kanzleien konkret auf die Zusammenarbeit vorbereiten? Wie könnten z.B. Honorarmodelle aussehen?

Kistermann: Wichtig ist, wie bei der Übernahme eines jeden Mandates, die Auftragsklärung, mit dem Unterschied, dass die erweiterte Betreuung / Mitarbeit über das rechtliche Mandat hinaus, Inhalt der Leistungsverpflichtung werden kann. An die Stelle von bisher noch üblichen Tages- / Stundenhonorarvereinbarungen, könnte eine Vergütung nach Projektabschnitten oder erfolgseintrittsbezogene Komponenten vereinbart werden, wohlwissend, dass Rechtsanwälte durch berufsrechtliche Regelungen nur begrenzte Möglichkeiten hierfür haben. Auch die Abgrenzung zu schon im weitesten Sinne unternehmensberatende Aktivitäten, ist eine schwierige Aufgabe.

Da sich das Einsatzgebiet eines Rechtsanwaltes zweifelsohne in einem rasanten Wandel befindet, wäre es erforderlich, dass auch der Gesetzgeber hierzu Überlegungen anstellt.

 

Wie können Juristen lernen in agilen Methoden zu denken?

Kistermann: Kurz gesagt: Verschaffen Sie sich Zugang zu den wesentlichen methodischen Grundlagen. Dazu gibt es Seminare und Literatur. Lassen Sie sich ergänzend beraten und begleiten. Prüfen Sie, wo agile Methoden in Ihrem Umfeld Mehrwerte bringen können.

 

Haben Sie zum Abschluss fünf Tipps, damit agiles Arbeiten und die Zusammenarbeit Rechtsabteilung/externe Kanzlei mit dem Projektteam gelingt?

Kistermann: 5 Tipps für die gute Zusammenarbeit? Herzliche gerne, und wenn Sie die gelesen haben, haben Sie vielleicht den Mut sich intensiver mit agilem Arbeiten zu beschäftigen.

  1. Seien Sie mutig und offen für Neues. Sie sollten bereit sein, sich auf ein Abenteuer einzulassen.
  2. Bisherige Managementregeln werden an der einen oder anderen Stelle aus den Angeln gehoben.
  3. Und denken Sie daran, dass die Verantwortlichkeit für Entscheidungen zum Teil in andere Hände gelegt wird.
  4. Verstehen Sie Ihre Rolle im Projekt und treiben Sie das Projekt behutsam voran. Seien Sie Teamplayer.
  5. Viele Schnittstellen sind zu bedienen. Gesagt, gemeint, verstanden … es erfordert viel Kommunikationsarbeit und haben Sie Spaß daran!

 

Vielen Dank für das Gespräch.

Der Autor

Martin Kistermann

Prokurist bei der innogy-Tochter eprimo und Autor 

Schulz / Schunder-Hartung (Hrsg.)

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