HOAI 2021: Das neue Preisrecht der Architekten und Ingenieure

Neues Jahr, neues Preisrecht. Muss eine Branche umdenken oder bleibt alles beim Alten? RA Prof. Dr. Heiko Fuchs, Mönchengladbach, gibt einen kurzen Überblick.

 

Infolge des Vertragsverletzungsurteils des EuGH vom 04.07.2019 war das verbindliche Preisrahmenrecht für Leistungen der Architekten und Ingenieure in der HOAI zu überarbeiten. Zum 01.01.2021 trat das neue Preisrecht in Kraft. Es soll zukünftig nur noch der „Preisorientierung“ dienen. Doch was bedeutet dies in der Praxis?

 

1. Preisorientierung statt Preisrahmen

Seit der im Jahr 1976 verkündeten „Urfassung“ der HOAI hat diese Verordnung einen zwingenden Preisrahmen, gebildet aus Mindest- und Höchstsatz, für Honorarvereinbarungen zu Leistungen von Architekten und Ingenieuren vorgegeben, der nur in (praktisch nie anzunehmenden) Ausnahmefällen verlassen werden durfte.

In seinem Vertragsverletzungsurteil vom 04.07.2019 hat der EuGH festgestellt, dass dieses „harte Preisrecht“ gegen die Vorgaben der europäischen Dienstleistungsrichtlinie verstößt.

Der deutsche Gesetzgeber war daher gezwungen, die HOAI schnellstmöglich an diese Richtlinie anzupassen. Dies ist mit der HOAI 2021, flankiert durch eine entsprechend geänderte gesetzliche Ermächtigungsgrundlage, erfolgt.

Die Honorarregelungen der HOAI 2021 haben nur noch Orientierungscharakter, das bislang verbindliche Preisrahmenrecht aus Mindest- und Höchstsatz wird aufgegeben. Um dieses Regelungsziel zu unterstreichen, wird der ehemalige Mindestsatz in „Basishonorarsatz“ umbenannt.

Honorarvereinbarungen bedürfen zukünftig der Textform. Damit sind auch elektronisch verkörperte Vergütungsvereinbarungen (beispielsweise per E-Mail oder PDF) wirksam, das bisherige Schriftformerfordernis entfällt.

Auch muss die Vereinbarung nicht mehr „bei Auftragserteilung“ erfolgen, sie kann also auch nachträglich getroffen oder geändert werden. Die Textform gilt allerdings, anders als bisher, auch für Honorare von Leistungen, die bisher formfrei vereinbart werden konnten, wie insbesondere Besondere Leistungen, Beratungsleistungen nach Anlage 1 zur HOAI oder Honorare für Objekte außerhalb der Tafelwerte.

Fehlt eine Honorarvereinbarung oder ist die Textform nicht eingehalten, gilt für Grundleistungen der Basishonorarsatz als vereinbart, für die übrigen Leistungen gemäß § 632 BGB die übliche Vergütung.

Verbraucher sind vom Architekten oder Ingenieur vor Vertragsschluss darüber zu belehren, dass auch höhere oder niedrigere Honorare als die in den Honorartafeln der HOAI 2021 enthaltenen Werte vereinbart werden können. Erfolgt dieser Hinweis nicht und hat der Architekt oder Ingenieur ein höheres Honorar als den Basishonorarsatz vereinbart, kann er nur diesen fordern.

Schließlich entfällt die bisherige Beschränkung des Anwendungsbereichs der HOAI auf inländische Sachverhalte, durch die der Verordnungsgeber seit der HOAI 2009 – vergeblich – versucht hatte, die Europarechtskompatibilität des harten Preisrechts herzustellen.

Im Übrigen bleibt es aber im Wesentlichen bei der Systematik der HOAI 2013, die Honorare werden also weiterhin nach den bekannten Parametern (beispielsweise anrechenbare Kosten, Honorarzone, Teilleistungspunkte, Tafelwerte, etc.) ermittelt.

Die neue HOAI wird für alle Architekten- und Ingenieurverträge gelten, die ab dem 01.01.2021 geschlossen werden.

Den Honorarvereinbarungen der Parteien wird zukünftig eine noch größere Bedeutung zukommen als bislang. Inwieweit punktuelle Abweichungen von der HOAI-Systematik zu einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle und damit zur Unwirksamkeit derartiger Vertragsklauseln führen können, wird noch zu diskutieren sein.

Vorsorglich sollte sich die Vertragsgestaltung eng an der HOAI-Systematik orientieren oder ein gänzlich anderes Vergütungsmodell (beispielsweise Pauschal- oder Aufwandsvergütung) wählen.

 

2. Und was gilt für Altverträge?

Zu den umstrittensten Fragen im Architektenrecht gehört die nach den unmittelbaren Auswirkungen des EuGH-Vertragsverletzungsurteils auf im zeitlichen Anwendungsbereich der HOAI 2013 oder ihrer Vorgängerfassung geschlossene Architekten- und Ingenieurverträge.

Nach einer Auffassung ist das verbindliche Preisrahmenrecht der HOAI auf diese Verträge mit Ablauf der Umsetzungsfrist der Dienstleistungsrichtlinie Ende 2009, spätestens aber mit Verkündung des EuGH-Urteils vom 04.07.2019, nicht mehr anwendbar. Nach anderer Auffassung gilt es bis zum Inkrafttreten der HOAI 2021 fort.

Der BGH hat am 14.05.2020 diese Rechtsfrage nicht entschieden, sondern dem EuGH vorgelegt. Mit dessen Entscheidung ist jedoch frühestens im späteren Verlauf des Jahres 2021 zu rechnen.

Ebenso ist umstritten, ob in Folge der Dienstleistungsrichtlinie oder des EuGH-Urteils die Formerfordernisse der HOAI 2013 für Vergütungsvereinbarungen (schriftlich und bei Auftragserteilung) und die Mindestsatzfiktion im Fall ihrer Verletzung weiter gelten. Hiermit wurden bislang weder BGH noch EuGH befasst.

Die aus diesen Rechtsfragen folgenden Unsicherheiten werden also bis zu einer Klärung durch den EuGH oder (bezüglich der Form) durch den BGH für bis zum 31.12.2020 geschlossene Architekten- und Ingenieurverträge bestehen bleiben.

 

3. Und nach der HOAI 2021?

Die zum 01.01.2021 in Kraft tretende Novellierung der HOAI setzt (fast) ausschließlich die Vorgaben des EuGH um. Eine mit der Novelle aus 2013 vergleichbare Überarbeitung der Leistungsbilder oder der Honorarstruktur ist nicht vorgesehen.

Dabei gibt es hierfür erheblichen Bedarf: Die Leistungsbilder müssen dringend modernisiert und den aktuellen Anforderungen angepasst werden, beispielsweise hinsichtlich der Planungsmethode BIM oder des Bauens im Bestand.

Die Honorarregelungen sind an immer wieder zu Streit führenden Punkten (beispielsweise der Berücksichtigung der mitverarbeiteten Bausubstanz bei den anrechenbaren Kosten) oder aufgrund neuerer Erkenntnisse (beispielsweise zum Umplanungszuschlag) ebenfalls fortzuentwickeln.

Zudem beklagen die Architekten und Ingenieure nicht ganz zu Unrecht, außer über die Baupreissteigerungen und damit die anrechenbaren Kosten seit nunmehr über sieben Jahren keine Honorarerhöhung mehr erhalten zu haben. Genug Diskussionsstoff also für eine zügige Fortentwicklung des Preisrechts.

 

Fazit: Die HOAI 2021 stärkt die Bedeutung der Honorarvereinbarung der Parteien. Der „große Wurf“ auf Leistungs- oder Gegenleistungsseite bleibt zukünftigen Novellen vorbehalten.

 

Der Autor

Prof. Dr. Heiko Fuchs,

Mönchengladbach, Rechtsanwalt, und Mitherausgeber des Fuchs/Berger/Seifert, Beck’scher HOAI- und Architektenrechts-Kommentar.

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