Granada und die Alhambra

Mit Uebersetzung aller arabischer Inschriften, zahlreicher Quellen und Urkunden

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Fachbuch

Buch. Hardcover

2016

203 S.

Verlag Christoph Brunner. ISBN 978-3-906206-28-8

Format (B x L): 21 x 29 cm

Produktbeschreibung

Eine Gruppe Touristen stapft kunstbeflissen und eifrig durch die Säle des Schlosses
der Kalifen von Granada: wie eine Schar Marsbewohner von einem anderen Stern.
Sie erfreuen sich an der Formenvielfalt, staunen über die Blumenmuster, verfolgen
die Schlingen und Ranken, doch nach und nach ermüden die verwirrenden
Skulpturen der Wände und Deckengewölbe. Ihre Blicke werden stumpf. Niemand, der
ihnen die Muster erklären könnte, der verriete, was dort geschrieben steht für jeden, der
es lesen kann. Ja, diese Muster können reden!
Jene arabischen Schriftzüge, schön gestaltet wie Blütenmeere, umwehen Geheimnisse
des Orients. Dort stellen sich Gedichte zu Gebeten, Ruhmes-lieder längst verschollener
Fürsten klingen zusammen mit dem tausend-fachem Lob Gottes. Kein Dichter ist jemals
so prachtvoll veröffentlicht worden in schier unvergänglicher Handschrift wie Ibn Samraks
herrliche Verse, gerahmt von der lieblichsten Landschaft, gefaßt von herrlichen Blumen,
von silbernen Tropfen leise murmelnder Brunnen überstäubt. Kein Gebet wirkt
inbrünstiger als das Flehen um Gottes Gnade am Tage des Jüngsten Gerichts gerade in
dieser leuchtenden Pracht von Kunst und Natur. Ein Rausch von Schönheit, zugleich
auch ein Bewußtwerden der Vergänglichkeit alles Schönen. Das alles auszukosten ist uns
heute nicht mehr vergönnt, weil wir die Buchstaben nicht lesen können und ihre Botschaft
vergessen haben.
Vielleicht ist Hingabe - arabisch Islam - das einzig mögliche Lebensgefühl, das in diesem
Schloß ausgedrückt werden konnte: Hingabe an diese von Gott geschaffene Schönheit.
zugleich Ergebenheit in Gottes unerforschbaren Willen.
Nur um den Mord an seinen arabischen Untertanen zu hindern, entschloß sich Boabdil,
dieses Schloß zu übergeben und einen ehrenvollen Abzug zu erwirken. Mit Tränen in den
Augen tauschte er das Schwert (es liegt heute verstaubt in einem Kasten des Madrider
Museums) gegen das Pergament eines Friedensvertrags, der sämtlichen Muslimen
Freiheit versprach, Duldung ihrer Religion und Achtung vor ihrer Kultur. Es war völlig
wertlos, denn der Kalif hatte nicht mit Isabella der Katholischen gerechnet. In Herden trieb
man die Muslime zu Zwangstaufen an die Taufbecken provisorisch errichteter Kirchen.
Die Inquisition sann nach düsteren Mitteln, diesen heidnischen Aberglauben zu vertilgen.
Man verbot, Arabisch zu sprechen, man schleifte die Moscheen. Zu allem Überfluß
verbrannte man öffentlich alle arabischen Manuskripte, die man nur finden konnte: Die
Palastbibliothek der Alhambra und die Buchsammlung der arabischen Universität
Granada zuerst, dann die öffentlichen Bibliotheken, zuletzt alle privaten Handschriften,
selbst arabisch geschriebenen Zettel. Es müssen Millionen gewesen sein. Sie verloderten
im Feuer unter dem Jubel der christkatholischen Könige und ihres gestrengen
Beichtvaters Kardinal Xavier Ximénes.
Wer Bücher verbrennt, läßt Menschen keine Chance: Plötzlich gibt es Heuchler die Fülle,
Bauplätze für Kirchen und Klöster ohne Zahl. Auf den Trümmern der Hauptmoschee türmt
man protzig die Capilla Real. Schaurig schöne Spätgotik treibt grausige Blüten.
Neureicher Prunk blitzt und funkelt aus jedem Altarretabel. Im Chor umzingelt ein
vergoldetes Prunkgitter leere Sarkophage. In den Tiefen der Schatzkammer glitzern
Zepter und Krone der Katholischen Könige, aus muslimischen Goldgeschmeide
geschmolzen.
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Was Isabella begann, setzte Kaiser Karl V. fort, mit heiligem Eifer. Dieses heidnische
Geschnörkel, dieser Brunnenfirlefanz, dieses dekadente Spiel von Arabesken, Kiosken,
Arkaden, all dieser fremdländische Aberwitz paßt nicht zu der Allerkatholischsten
Majestät. Er gab den Auftrag, das arabische Gerümpel beiseite zu räumen, und ließ einen
Palast hinbauen, einen Klotz, der in seiner nackten Zwecklosigkeit schier alles
Vorstellbare erschlägt. Da nun Mauren und Juden aus ganz Spanien und speziell aus
Granada verjagt wurden, ihre Kopfsteuern also nicht mehr flossen und maurische Sklaven
allmählich ausstarben, wurde der Palastkomplex niemals vollendet.
Nun, der Islam in Spanien ist tot. Die Bibliotheken sind verbrannt, die Gelehr-ten
hingerichtet, die Geistlichen von der Inquisition gefoltert und den Flammen übergehen,
die Wissenschaften und Künste verschollen. Die arabische Sprache bleibt stumm. Als
hätten es die arabischen Künstler in ihren geheimsten Gedanken erahnt: Nirgends ist die
Wucht der Schriftkunst so dicht, die zu Stuck geronnene Kalligraphie zu größerer Blüte
gebracht als im Schloß der Alhambra. Es starrt geradezu vor Schrift. Die vielen Worte
drängen die Ornamentik des schönen Arabeskenspiel völlig in den Hintergrund. End-lose
Friese künden den Leitspruch der muslimischen Herrscher von Granada: UND NUR
GOTT ALLEIN BLEIBT SIEGER Schlachtruf im harten Kampf gegen die christliche
Übermacht, tiefe Einsicht in die eigene Ohnmacht, zugleich jedoch fanatische
Ergebenheit in das Unausweichliche. Eine Prophezeiung außerdem, die sich als wahr
erweisen sollte und die immer noch wahr ist. Nur kann sie heute kaum einer mehr lesen,
keiner mehr deuten und niemand im Tiefsten begreifen.

Dr. Wolfgang Kosack

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