Der Maler und Zeichner Eugen Spiro etablierte sich im Berlin der Weimarer Republik als einer der gefragtesten Porträtisten - und als großer Rivale Max Liebermanns. Prominenz aus Kunst, Wissenschaft und Politik wie Gerhart Hauptmann, Max Planck oder der Preußische Kultusminister Carl Heinrich Becker beauftragten ihn. Als Zeichner hielt der passionierte Musikliebhaber das hauptstädtische Konzertleben und dessen Protagonisten fest. Darüber hinaus machte er sich als Landschaftsmaler einen Namen. Ab 1925 leitete er gemeinsam mit Charlotte Berend-Corinth - später allein - die Berliner Secession, der damals bedeutendsten deutschen Künstlervereinigung.
Spiro entstammte der Familie eines jüdischen Kantors in Breslau. Ausgebildet wurde er in seiner Heimatstadt bei Albrecht Bräuer und in München bei Franz von Stuck. Nach frühem Aufenthalt in Berlin wirkte er von 1906 bis 1914 in Paris. Jahre, die seine künstlerische Entwicklung wesentlich beeinflussten. Mit Beginn des Ersten Weltkrieges aus Frankreich als "Deutscher" ausgewiesen und nach Berlin zurückgekehrt, stand er seit Mitte der 1920er-Jahre auf der Höhe seines Schaffens - bis ihn das NS-Regime 1935 ins Exil zwang. Zufluchtsort war Paris, wo er zum Präsidenten des Freien Künstlerbundes (Union des Artistes Libres) gewählt wurde. 1941 emigrierte er schließlich nach New York.
In der neuen amerikanischen Heimat übernahm Spiro erneut Porträtaufträge, darunter Bildnisse von Leo Baeck, dem exilierten Reichskanzler Heinrich Brüning, Martin Buber, Albert Einstein, Georg Friedländer oder Thomas Mann. Ernsthafte Initiativen von deutscher Seite ihn nach 1945 zurückzugewinnen, gab es keine.
Anhand von Archivrecherchen in Deutschland und den USA zeichnen Wolfgang Feyerabend und Jan Gehlsen erstmals detailliert die nur lückenhaft bekannte Biografie dieses bedeutenden, aber heute vergessenen Künstlers nach, der als eine der zentralen Künstlerfiguren in der Weimarer Republik angesehen werden kann: Das Buch beleuchtet die Lebensstationen wie beruflichen Netzwerke Spiros, wirft einen Blick auf die Kunstpolitik der Zeit und zeichnet die Schwierigkeiten eines jüdischen Künstlers nach, dessen Leben durch mehrfache Emigration geprägt war. So entsteht das faszinierende Bild eines Malers, in dessen Leben sich nicht nur die Mechanismen des Kunstmarkts des frühen 20. Jahrhunderts widerspiegeln, sondern auch das Leben der Bohème, der Seciessionisten, die in Spiro einen versöhnenden Sprecher und Repräsentanten fanden. Typisch für seine Biografie waren zudem Ausgrenzungserfahrungen, Flucht, wirtschaftliche Not, Neuanfänge. Auch sein Privatleben und die zahlreiche Ehen wie die mit der prominenten Schauspielerin Tilla Durieux, die ihn für den Kunsthändler Paul Cassirer verließ, machen Spiro zu einer Kristallisationsfigur seiner Zeit und zum Senior einer europäischen Künstlerfamilie mit namhaften Vertretern: Seine jüngere Schwester, Elisabeth Dorothea Spiro, machte sich als Malerin ebenso einen Namen wie als Geliebte Rainer Maria Rilkes. Einer ihrer Söhne, Balthasar Klossowski, erlangte später unter dem Namen Balthus als Maler Weltruhm. Enkelin Elizabeth Spiro ist eine bekannte Landschaftsmalerin in Großbritannien.
Das Buch eröffnet einen neuen Blick auf Leben und Werk Eugene Spiros, das von der Auseinandersetzung mit den Spielarten der Moderne geprägt ist und sich dennoch aller "-ismen" entzieht. Mit zahlreichen Abbildungen.