Große Änderungen: "Die WEG-Reform wird vieles leichter machen"

Nach 70 Jahren wird das Wohnungseigentumsgesetz WEG erstmals umfassend modernisiert. So viel steht fest: Bei dieser Fundamentalreform bleibt kein Stein auf dem anderen. Ein Gespräch mit Richter Dr. Oliver Elzer, u.a. Autor des Hügel/Elzer, Wohnungseigentumsgesetz: WEG, über die wichtigsten Änderungen, Kritik der Eigentümer-Verbände und die spannende Frage, wann die Koalition in Berlin das Vorhaben verabschieden wird.

 

(Das Interview ist im Juli 2020 vor den finalen Änderungen geführt worden. Den aktuellen Stand der WEG-Reform erläutert Dr. Elzer in diesem Beitrag).

 

 

Die große WEG-Reform wirft ihre Schatten voraus. Sie waren bei der Expertenanhörung im Rechtsausschuss dabei. Welche Punkte im Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz WEMoG sind besonders wichtig und lobenswert?

Dr. Oliver Elzer: Das WEMoG ist ein „Tsunami“, der alle Bereiche des WEG erfasst und es durchgreifend ändern will. Es fällt schwer, vor diesem Hintergrund Punkte hervorzuheben. Eines ist aber klar: Das WEMoG ist erheblich besser als sein Ruf! Es ist konsequent durchkonstruiert und wird vieles leichter machen. Für jeden – auch und gerade für die Wohnungseigentümer. Besonders gelungen ist etwa das Verfahrensrecht. Es ist viel leichter zu verstehen. Ein Schritt in die richtige Richtung sind aber auch die Verbesserungen zur Versammlung der Wohnungseigentümer und die klare und transparente Umsetzung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.

 

WEG-Reform: "Entmachtung" der Eigentümer?

 

Eigentlich sollte die Reform Mitte Juni verabschiedet werden. Warum wurde daraus nichts?

Dr. Oliver Elzer: Der Entwurf der Bundesregierung war am 28. Mai 2020 Gegenstand einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz. Die Sachverständigen waren sich im Kern einig, dass es noch an allen Ecken und Enden Änderungsbedarf gibt. Dem mochten sich die Koalitionäre offensichtlich nicht verschließen. Ich habe das Gefühl, dass sie sich vor allem von der Verbändekritik haben beeindrucken lassen.

Einige Eigentümer-Verbände sehen die Gefahr einer „Entmachtung“ der Eigentümer zulasten der Verwalter. Wie sehen Sie diese Kritik?

Dr. Oliver Elzer: Ich halte diese Kritik für falsch und überzogen. Sollte das WEMoG umgesetzt werden, verlieren die Wohnungseigentümer keine Rechte. Sie werden auch nicht entmachtet, sondern bekommen Rechte, die das geltende Recht nicht vorsieht.

Welche sind das?

Dr. Oliver Elzer: Beispielsweise soll die „Sperre“ des § 27 Abs. 4 WEG fallen. Denn nach Vorschlag des WEMoG sollen die Wohnungseigentümer dem Verwalter sämtliche Rechte nehmen können. Außerdem können die Wohnungseigentümer die Entscheidungen vom Verwalter zum Beispiel an die Zustimmung der Verwaltungsbeiräte binden. Die geplante Neufassung des § 26 WEG erleichtert den Wohnungseigentümern darüber hinaus, einen Verwalter abzubestellen. Ich selbst denke sogar, dass sie den Verwaltervertrag gefahrlos und jederzeit kündigen können. Auch die Regelung, dass der Verwalter die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer umfassend vertreten kann, stärkt im Übrigen die Wohnungseigentümer, nicht den Verwalter.

Also läuft die Kritik der Verbände Ihrer Meinung nach ins Leere?

Dr. Oliver Elzer: Ja, die Kritik der Verbände will das alles nicht sehen und bleibt jeden ernsthaften Beleg für ihre anders lautenden Thesen schuldig. Die Verbände vertreten außerdem ein wenigstens überraschendes Menschenbild. Denn sie misstrauen der Privatautonomie und der Demokratiefreundlichkeit des WEMoG. Ich selbst tue das nicht und baue auf den gesunden Menschenverstand.

 

WEG-Reform: Wann tritt sie in Kraft?

 

Wie geht es nun weiter? Inwiefern wird  beim WEMoG nachgebessert?

Dr. Oliver Elzer: Ich gehe davon aus, dass CDU/CSU und SPD das Bundesjustizministerium auffordern werden oder bereits aufgefordert haben, in einigen Bereichen nachzubessern. Nach den mir bekannt gewordenen Verlautbarungen geht es vor allem um eine Einschränkung der Möglichkeit des Verwalters, die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu vertreten, um die Vorschriften zur baulichen Veränderung und um die Maßnahmen, die der Verwalter ohne Befassung der Wohnungseigentümer vornehmen kann. Daneben liegt wohl der Sachkundenachweis auf dem Tisch sowie Änderungen der GewO und der MaBV, vor allem zum Umfang der Versicherungspflicht des Verwalters. Ferner könnte es sein, dass die Vertragsstrafenregelung des § 19 Abs. 3 Satz 2 WEMoG fällt und § 29 WEMoG überarbeitet wird. Die SPD scheint auch Direktansprüche der Wohnungseigentümer gegen den Verwalter zu erwägen.

Ihre Prognose: Wann tritt die WEG-Reform in Kraft?

Dr. Oliver Elzer: Dieses „Paket“ ist umfassend. Es dauert bestimmt bis nach der Sommerpause, hier Vorschläge zu machen und in der Koalition abzustimmen. Da anderseits 2021 ein Wahljahr ist und ich davon ausgehe, dass die Koalitionäre unter anderem mit der Erleichterung der Elektromobilität im Geschosswohnungsbau – ebenfalls ein Bestandteil des Pakets – beim Wähler punkten wollen, tippe ich beim Inkrafttreten zurzeit noch auf den 1.1.2021. Wenn sich die Koalition verhakt, kann es aber auch noch länger dauern.

 

WEG-Reform: Schluss mit Sanierungsstau – "Da bin ich sehr skeptisch"

 

Ziel der Reform ist es unter anderem auch, die Zahl der gerichtlichen Auseinandersetzungen über die Verwaltung der Wohnungseigentümergemeinschaften zu senken – wird das mit dieser Reform funktionieren?

Dr. Oliver Elzer: Ich hoffe das! Das WEMoG verbessert jedenfalls die streitanfälligen Benutzungsregelungen. Und es stärkt die Regelungen zum Wirtschaftsplan und zur Jahresabrechnung. Die neuen Vorschriften würden längerfristig einer Vielzahl von Problemen den Boden unter den Füßen wegziehen.

Stichwort Sanierungsstau: Werden Beschlüsse über Modernisierungen in WEG-Verwaltung künftig effizienter ablaufen?

Dr. Oliver Elzer: Da bin ich leider noch sehr skeptisch.

Warum?

Dr. Oliver Elzer: Die bislang vorgesehenen Bestimmungen sind misslungen. Das WEMoG senkt zwar das erforderliche Quorum für Beschlüsse, weil ein einfacher Mehrheitsbeschluss künftig reichen soll. Das WEMoG will die Wohnungseigentümer, die nicht „bauwillig“ sind, aber auch schützen. Der Vorschlag, dass sich nämlich alle Wohnungseigentümer nur dann an den Kosten beteiligen müssen, wenn die bauliche Veränderung der Anpassung der Wohnungseigentumsanlage an den üblichen Umgebungszustand dient, oder wenn sich die Kosten der bauliche Veränderung innerhalb eines angemessenen Zeitraums amortisieren, ist aber noch unausgereift. Er führt zu einer „Trittbrettfahrermentalität“. Diese Begriffe sind auch viel zu schwammig.

Was wäre Ihr Vorschlag?

Dr. Oliver Elzer: Es bedarf einer Regelung, nach der bereits bei Beschlussfassung feststeht, wer die Kosten zu tragen hat. Im Übrigen sieht das WEMoG, anders als das geltende Recht, überhaupt keine besonderen Vorschriften für eine  Modernisierung vor. Den Wohnungseigentümern ist es anders als jetzt also nicht möglich, mehrheitlich  - also eine doppelt qualifizierte Mehrheit – und auf Kosten aller ihre Wohnungseigentumsanlage im Sinne des § 555b BGB zu modernisieren. Bleibt es so, ist das ein ärgerlicher Rückschritt. Gerade hier und beim Klimaschutz besteht noch ein echter Handlungsbedarf.

Gibt es Maßnahmen, die man bereits vorausschauend als Verwalter oder Eigentümer angehen kann, sodass man beim Inkrafttreten der WEG-Reform bestens vorbereitet ist?

Dr. Oliver Elzer: Verwalter und Wohnungseigentümer haben zurzeit noch keinen Anlass, Vorbereitungen zu treffen. Allerdings kann es ratsam sein, Entscheidungen etwa zu Umlageschlüsseln auf 2021 zu vertagen. Denn auch dieser Bereich wird sich klar verbessern und wird es den Wohnungseigentümern erleichtern, sachgerechte Lösungen zu finden. Die Wohnungseigentümer werden zum Beispiel merken, dass § 16 Abs. 2 WEMoG ein Segen ist.

 

Hintergründe zur WEG-Reform

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Der Standard-WEG Kommentar – auch zur WEG-Reform.

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Dr. Oliver Elzer, Richter am Kammergericht, u.a. Autor des Hügel/Elzer, WEG

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