Agile Antwort auf die Digitalisierung

6 Fragen zu agiler Arbeit an Marcus Schwarzbach, Autor von „Agile Arbeit - Chancen und Risiken für Arbeitnehmer: Handlungshilfe für Betriebsrat und Personalrat“, Walhalla Verlag

 

Warum wird in vielen Betrieben über „Agilität“ diskutiert?

Agile Arbeit, agile Steuerung oder agile Führung sind neue Schlagworte in den Betrieben. Viele Arbeitsprozesse sind nicht mehr mit einer zentral durchdachten Steuerung regelbar. Unternehmen suchen nach neuen Strategien, um die Digitalisierung im Betrieb umzusetzen. Agile Arbeit scheint die Lösung.

 

Was bedeutet das konkret?

Agile Arbeitsmethoden sind seit Jahren in der Softwareentwicklung verbreitet. Inzwischen nutzen immer mehr Unternehmen dieses Wissen. Agilität beschreibt – kurz zusammengefasst – die Fähigkeit von Menschen, rasch und effektiv auf Veränderungen zu reagieren. Agilität entstand als Reaktion auf langsame, bürokratische Organisationen. Es wird nun nicht mehr mit großen Zeitaufwand detailliert ein Pflichtenheft erarbeitet , bei dem der Kunde vielleicht irgendwann merkt,  dass er was anderes  gewollt hätte. Im Gegensatz dazu, läuft die agile Arbeit in kleinen Entwicklungsschleifen ab, in denen konstant und fast gleichzeitig geplant, entwickelt, getestet und mit dem Kunden abgeglichen wird.

 

Wie erfolgt die Umsetzung vor Ort?

Die Umsetzung „agiler Steuerung“ in den Betrieben ist der unterschiedlich. 

Sie kann über selbstorganisierte, „agile“ Teams eigeführt werden. Bestimmte Koordinierungs- oder Führungsaufgaben werden vom Team übernommen. Die Führungskraft hat dabei zunehmend moderierende Aufgaben, ist für die Strategieentwicklung, die Rahmenbedingungen oder die Weiterentwicklung der Teammitglieder verantwortlich.

 

Dabei spielen auch besondere Methoden eine Rolle?

Oftmals wird bei Projekten die Methode „Scrum“ eingesetzt. Wichtig dabei ist die gemeinsame Planung der Aufgaben im Team. Die Steuerung erfolgt indirekt, in dem diese Teams eigenverantwortlich innerhalb der Vorgaben direkt dem Kunden gegenüber am Markt aktiv werden müssen. Es wird in sogenannten „Sprints“ gearbeitet. Täglich gibt es ein Scrum-Meeting als „Standup-Meeting“.  Ein Scrum-Master coacht den Product-Owner und das Team in den wesentlichen Methoden. Gleichzeitig haben die Teammitglieder aber disziplinarische Vorgesetzte, die sie in ihren Abteilungen weiter zeitlich einplanen.

 

Das klingt ja fast schon nach „Demokratie im Betrieb“?

Es wird viel diskutiert. „Agile Arbeit“ klingt vielversprechend: weniger Kontrolle, größere Eigenverantwortung, mehr Austausch, eigene Ideenentwicklung und viel Arbeit im Team bei gemeinsamer Lösungssuche. Die Praxis zeigt jedoch auch Gefahren. Allein die Vorgabe, einen „Sprint“, innerhalb von 30 Tagen abgeschlossen zu haben, verdeutlicht, welcher Zeitdruck vom Unternehmen aufgebaut wird. Beschäftigte werden einem hohen Zeit- und Rechtfertigungsdruck ausgesetzt. Andererseits entsteht sozialer Druck innerhalb der Teams: es wird gemeinsam über das Vorgehen gesprochen, entsprechend erwarten Teammitglieder die Umsetzung.

 

Für Betriebsräte besteht hier also die Problematik der Verhaltenskontrolle. D.h. für den Betriebsrat ergeben sich große Aufgaben?

Betriebsräte müssen sich frühzeitig mit den Themen auseinandersetzen. Veränderung ist zum Dauerprozess in Unternehmen und Organisationen geworden. Veränderungen finden häufig dezentral statt, werden in Teams oder einzelnen Abteilungen ausprobiert. Belegschaftsvertretungen müssen deshalb wachsam sein, um Planungen in Richtung „agile Personalführung“ zu erkennen. Erst dann sind sie in der Lage, Strategien zum Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu entwickeln. Damit sich Betriebs- und Personalräte rechtzeitig auf anstehende Veränderungen einstellen und Gegenstrategien entwickeln können, sind umfassende Informationen bedeutsam. Und dann geht es darum eine Betriebsvereinbarung zu erarbeiten, um die Interessen der Arbeitnehmer wahrnehmen zu können.

 

Ab März 2022 werden wieder neue Betriebsräte gewählt. Was sind die besonderen Herausforderungen in diesen Zeiten?

Mit einem Betriebsrat läuft es für alle Beteiligten besser: ohne ihn haben Beschäftigte kaum Informationen, kaum Mitsprache und unter Umständen schlechtere Arbeitsbedingungen. Er kann mit dafür sorgen, dass Arbeitszeiten geregelter und die Arbeitsbedingungen sicherer und gesünder sind. Auch die Unternehmen profitieren von Betriebsräten, das zeigen Studien. Betriebe mit Betriebsrat sind produktiver und innovativer, da die Beschäftigten ihr Wissen und ihre Ideen besser einbringen können und motivierter sind.

 

Die Neuerscheinung „Agile Arbeit - Chancen und Risiken für Arbeitnehmer: Handlungshilfe für Betriebsrat und Personalrat“,  gibt Betriebs- und Personalräten Tipps für die Praxis, beinhaltet auch Formulierungsbeispiele für Betriebs- oder Dienstvereinbarungen zu agiler Arbeit.

 

Schwarzbach

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Der Autor

Marcus Schwarzbach

Berater in Mitbestimmungsfragen, erfahrener Referent für Personal- und Betriebsräte, erfolgreicher Fachautor.

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