Direkt vom Prof: Absolute Basics für Jura-Klausuren und Hausarbeiten

Welche Vorgaben gibt es für Hausarbeiten und Klausuren im Jurastudium? Welche Phrase in Klausuren geht gar nicht? Und kann man juristische Präzision lernen?

Ein Gespräch mit Dr. Roland Schimmel, Professor für Wirtschaftsprivatrecht und Bürgerliches Recht an der Frankfurt University of Applied Sciences und Autor des Vahlen-Buchs „Juristische Klausuren und Hausarbeiten richtig formulieren“.

 

Was sind Fehler in juristischen Klausuren und Hausarbeiten, die sehr häufig vorkommen, aber eigentlich relativ leicht abzustellen sind?

Prof. Dr. Roland Schimmel: Mein persönlicher Lieblingsfehler ist der Satz „Dazu müsste ein Anspruch zunächst entstanden sein.“ Der ist fast immer in mindestens einer Hinsicht falsch, mindestens aber unglücklich, weil Platzverschwendung.

 

Wie hätten die Studierenden diese Fehler umgehen können?

Schimmel: Es würde genügen, sich fest vorzunehmen, keine unverstandenen auswendiggelernten Phrasen dutzendfach in Prüfungsarbeiten abzukippen. Und diesen guten Vorsatz dann auch durchzuhalten.

 

Welche Formalien sind Ihnen in Hausarbeiten besonders wichtig?

Schimmel: Vergeblich weise ich seit einigen Jahren die Studenten darauf hin, dass es eine Silbentrennfunktion in der Textverarbeitung gibt. Das Verschwinden des Trennstrichs schmerzt. Lesen Sie einmal längere Texte im Blocksatz mit riesigen Wortzwischenräumen - das wird richtig anstrengend.

Ansonsten finde ich aber viel wichtiger als die ständig gestellte Frage nach dem Rand links und/oder rechts, oben und/oder unten die für den Leser erkennbare Konzentration auf einen „anständigen“ wissenschaftlichen Apparat. Der geht über die Standardlehrbücher und -kommentare weit hinaus. Mit der Auswertung des spezielleren Schrifttums (Aufsätze, Festschriftenbeiträge, große wissenschaftlich angelegte Kommentierungen, Monographien) zeigt man als Verfasser, dass man die Probleme der Aufgabe jenseits des flüchtigen Lösungsskizzen-Niveaus bearbeitet hat. Oft tritt übrigens auch die Auswertung der Rechtsprechung gegenüber den weit eingängigen Aufsätzen in JuS, JA und JURA in den Hintergrund. Schade. Weil unprofessionell.

 

Kann man juristische Präzision erlernen? Wenn ja, wie?

Schimmel: Zum etwas größeren Teil wächst juristische Präzision dem Lernen unausweichlich über die Zeit zu, vermute ich. Zum kleineren Teil kann man das aber wahrscheinlich durch Üben beschleunigen.

Dazu zwei Vorschläge:

a) Man fasse schon früh im Studium den Vorsatz (und setze ihn dann auch um), regelmäßig neu kennengelernte Rechtsnormen auf einem Blatt Papier zu strukturieren: Was ist der Tatbestand, was ist die Rechtsfolge? (Selbst bei dieser ganz grundlegenden Frage passieren die erstaunlichsten Verwechslungen, ehrlich!) Welche Elemente stehen auf der Tatbestandsseite? In welcher Reihenfolge würde man sie sinnvollerweise in einem Gutachten erörtern? Wie sind sie logisch miteinander verknüpft (kumulativ oder alternativ)?Das klingt ziemlich uncool, besonders, wenn man die betreffende Norm gerade nicht für einen Übungsfall braucht. Aber es schärft den Blick enorm.

b) Man übe das Definieren. Auf dem Trockenen und - zunächst - ohne Lehrbuch oder Kommentar in der Hand. Das müssen nicht immer juristische Fachbegriffe sein. Definieren verstehe man dabei klassisch als „Abgrenzen“. Man suche also verwandte Begriffe und versuche Gemeinsamkeiten und Unterschiede herauszuarbeiten, um dann Trennlinien ziehen zu können. Das kann man übrigens nicht nur allein ausprobieren, sondern auch mit Mitstudenten. Aber nicht ablenken lassen!

 

Wie erklären Sie Jura-Einsteigern den Gutachtenstil? Was zeichnet ihn aus und was sind Fallstricke?

Schimmel: Ich versuche den Gutachtenstil nicht nur als gedankliche Zumutung darzustellen, sondern als Chance für einen massiven Gewinn an gedanklicher Klarheit. Der Gutachtenstil ist ein enorm hilfreiches Mittel zur Identifikation rechtlicher Probleme im jeweiligen Sachverhalt. Das wird Erstsemesterstudenten nur oft kaum deutlich, weil sie einen sehr spezifisch aufbereiteten Prüfungssachverhalt von 20 Zeilen Umfang vorgesetzt bekommen. Das Trennen in Relevantes und Irrelevantes, Problematisches und Unproblematisches (und später auch Streitiges und Unstreitiges) wird aber existenziell wichtig, wenn man eine 1000 Seiten starke Prozessakte auf dem Tisch liegen hat.

 

Warum sollten Jurastudierende Ihr Buch „Juristische Klausuren und Hausarbeiten richtig formulieren“ kaufen?

Schimmel: Das Buch versucht eine Annäherung an den Gutachtenstil in zwei Schritten. Im ersten Schritt erklärt es die logischen Elemente der Subsumtion, die man als Gutachten formulieren kann oder als Urteil (oder manchmal als ein Zwischending).

Um das anwendbar zu machen, präsentiert es im zweiten Schritt Hunderte von „typisch juristischen Formulierungen“, geordnet nach den Schritten Obersatz, Untersatz (mit Definition und Subsumtion) und Untersatz. Mit denen kann der Leser spielen und experimentieren, um so ein Gespür dafür zu bekommen, in welchen Situation man eine breite schulmäßige gutachtenförmige Untersuchung braucht - und wann man das Unproblematische kurz und knackig in einer stark zum Urteilsstil hin abgeschliffenen Form präsentiert.

Die Idee dahinter ist ungefähr die: Wer einem Anfänger im Gitarrespielen erst das 12-taktige Blues-Schema nahebringt und ihn anschließend mit einer Vielzahl von vorgegeben Licks und Riffs experimentieren und diese rekombinieren lässt, wird nicht zwangsläufig nach wenigen Monaten einen neuen B.B.King ins Studio schicken können. Aber es besteht doch eine gute Chance, dass es sich nach einer Weile halbwegs vorzeigbar anhört. Man verzeihe mir die gewagte Metapher.

 

Der Autor

Dr. Roland Schimmel

ist Professor für Wirtschaftsprivatrecht und Bürgerliches Recht an der Frankfurt University of Applied Sciences

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