Rechtspfleger Beruf – Ausbildung, Aufgaben und Gehalt im Überblick

von Dipl.-Rpfl. Klaus Rellermeyer, Hamm

 

Du möchtest gerne etwas mit Recht machen, aber nicht unbedingt Jura studieren? Du willst Menschen helfen und dich für ihre Rechte einsetzen? Eigenständige und unabhängige Entscheidungen treffen? Dann könnte der Beruf Rechtspfleger bzw. Rechtspflegerin etwas für Dich sein.

Doch was sind eigentlich die Aufgaben und wie verläuft die Ausbildung bzw. das Studium? Diese und viele weitere Fragen haben wir jemandem gestellt, der sich damit auskennt: Dipl.-Rechtspfleger Klaus Rellermeyer. Hier sind seine Antworten.

 

1. Was ist ein Rechtspfleger/eine Rechtspflegerin?

Rechtspfleger und Rechtspflegerinnen üben einen juristischen Beruf bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften aus. Das Amt ist in Deutschland zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus dem Amt des Gerichtsschreibers hervorgegangen.

Ausgangspunkt waren Überlegungen, eine kostengünstigere Arbeitskraft mit gerichtlichen Aufgaben, die nicht zwingend durch den Richter zu erledigen waren, zu befassen. So übertrug ein Gesetz im Jahr 1909 dem Gerichtsschreiber die Kostenfestsetzung und den Erlass von Vollstreckungsbefehlen zur selbständigen Wahrnehmung.

Ab 1921 gehörten zu den Tätigkeiten der Gerichtsschreiber die Zwangsvollstreckung in Forderungen, Geschäfte in Vormundschafts-, Grundbuch- und Nachlasssachen und Aufgaben der Strafvollstreckung. Gesetzliche Regelungen der Stellung und der Aufgaben des Rechtspflegers erfolgten mit den Rechtspflegergesetzen vom 8. Februar 1957 und vom 5. November 1969. 

 

2. Was macht ein Rechtspfleger und welche Aufgaben hat er?

Die Schwerpunkte der Tätigkeit von Rechtspflegern liegen auf den Gebieten der freiwilligen Gerichtsbarkeit – die vorrangig nicht die Streitentscheidung, sondern Rechtsvorsorge und Rechtsfürsorge zum Gegenstand hat – sowie der Zwangsvollstreckung und der Strafvollstreckung.

Aufgaben der Rechtspfleger in den Bereichen der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind zum Beispiel

  • die Führung des Grundbuchs und des Schiffsregisters,
  • die Anordnung einer Vormundschaft, die Auswahl des Vormunds, seine Beratung und Beaufsichtigung und die Genehmigung bestimmter Vermögensgeschäfte der Eltern oder des Vormunds,
  • die Beratung und Beaufsichtigung des rechtlichen Betreuers, der einem Volljährigen bestellt ist, der aufgrund Krankheit oder Behinderung seine Angelegenheiten nicht selbst besorgen kann, die Prüfung der Rechnungslegung des Betreuers und die Genehmigung bestimmter Vermögensgeschäfte des Betreuers,
  • die Eröffnung von Testamenten und Erbverträgen, die Erteilung von Erbscheinen und anderen Nachweisen über die Erbfolge, die Entgegennahme von Erklärungen über die Ausschlagung der Erbschaft und die Sicherung des Nachlasses, wenn der Erbe unbekannt ist, zum Beispiel durch Anordnung einer Nachlasspflegschaft,
  • die Führung des Handels-, Genossenschafts-, Gesellschafts- und Vereinsregisters und in bestimmten Fällen die Ernennung von Notgeschäftsführern oder Abwicklern einer Gesellschaft.

Bei der Zwangsvollstreckung sind Rechtspfleger zum Beispiel zuständig für

  • die Pfändung von Forderungen und anderen Vermögensrechten,
  • Entscheidungen über Anträge auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung,
  • Entscheidungen über Anträge auf Aufhebung oder Einstellung der Zwangsvollstreckung, die wegen ganz besonderer Umstände eine sittenwidrige Härte für den Schuldner bedeutet,
  • das gesamte Verfahren der Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung von Grundstücken und Schiffen,
  • das Insolvenzverfahren im zeitlichen Stadium nach der Eröffnung.

Zu den weiteren Aufgaben beim Rechtspfleger-Beruf gehören

  • das Mahnverfahren,
  • die Festsetzung der Kosten und der Rechtsanwaltsvergütung in gerichtlichen Verfahren,
  • die Aufnahme von Revisionen in Strafsachen sowie von Klagen, Rechtsbehelfen und damit vergleichbaren Anträgen und Erklärungen zu Protokoll,
  • die Gewährung von Beratungshilfe für die Wahrnehmung von Rechten außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens, wenn der Rechtsuchende die erforderlichen Mittel nicht aufbringen kann,
  • das vereinfachte Verfahren zur Festsetzung des Unterhalts Minderjähriger,
  • die Strafvollstreckung einschließlich der Opferentschädigung und die Vollstreckung von Ordnungs- und Zwangsmitteln.

3. Wie entscheidet der Rechtspfleger?

Rechtspfleger entscheiden bei ihrer Tätigkeit sachlich unabhängig. Sie sind daher nur an Recht und Gesetz, nicht aber an Weisungen eines Dienstvorgesetzten gebunden. Der Dienstvorgesetzte hat alles zu unterlassen, was die Rechtspfleger in ihrer Entscheidung beeinflussen könnte. Die Bindung an Recht und Gesetz begrenzt deren sachliche Unabhängigkeit. Sie dürfen ihre persönliche Auffassung nicht zur Grundlage ihrer Entscheidung machen, sondern haben sich an den Willen des Gesetzgebers zu halten.

 

4. Welche Rechtsmittel gegen Entscheidungen des Rechtspflegers gibt es?

Die Entscheidungen des Rechtspflegers sind in gleicher Weise anfechtbar, wie wenn sie ein Richter getroffen hätte. Gewöhnlich ist daher die Beschwerde oder die sofortige (befristete) Beschwerde statthaft. Über die Beschwerde entscheidet je nach Verfahrensordnung und Art der angefochtenen Entscheidung das Landgericht oder das Oberlandesgericht. Die Entscheidung über die Beschwerde wird nur von Richtern getroffen; Rechtspfleger wirken beim Beschwerdegericht nicht mit. Nur wenn nach den allgemeinen Verfahrensvorschriften gegen die Entscheidung, wenn sie ein Richter getroffen hätte, kein Rechtsmittel eingelegt werden könnte, ist die Entscheidung des Rechtspflegers mit der Erinnerung anfechtbar. Hierüber entscheidet der Richter desselben Gerichts, dem der Rechtspfleger angehört.

 

5. Wie wird man Rechtspfleger und wie verläuft die Ausbildung bzw. das Studium?

Zum Vorbereitungsdienst kann zugelassen werden, wer die allgemeine Hochschulreife (Abitur) hat. Der Vorbereitungsdienst ist eine eigenständige, auf die Anforderungen des Rechtspflegeram-tes spezialisierte Ausbildung zum Rechtspfleger von insgesamt drei Jahren Dauer.

Diese Ausbildung als Rechtspfleger besteht aus Fachstudien an einer staatlichen (Fach-)Hochschule und berufspraktischen Studienzeiten, in denen die Studierenden an Gerichten und Staatsanwaltschaften am Arbeitsplatz von Rechtspflegern an ihre Aufgaben herangeführt werden.

Der Vorbereitungsdienst wird mit der Rechtspflegerprüfung abgeschlossen. Die (Fach)-Hochschulen können den akademischen Grad „Diplom-Rechtspfleger“ verleihen. 

 

6. Was ist der Unterschied zum Jura-Studium?

Viele der Sachgebiete, auf denen Rechtspfleger tätig sind, werden im Rechtspfleger-Studium wesentlich ausführlicher und detaillierter behandelt als im Studium eines Volljuristen. Mit den im Studium vermittelten umfassenden Kenntnissen vor allem auf den Gebieten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und der Zwangsvollstreckung ist der Beruf Rechtspfleger ein anerkanntes eigenständiges Organ der Rechtspflege neben dem Richter.

 

7. Was verdient ein Rechtspfleger?

Als Beamte des Justizdienstes werden Rechtspfleger nach den Besoldungsgesetzen der Länder im Bereich der Besoldungsgruppen A9 bis A13 besoldet.

 

Der Autor

Dipl.-Rpfl. Klaus Rellermeyer

war als Rechtspfleger beim Amtsgericht Hamm tätig und ist Autor des Werkes Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung (17. Aufl. 2020), Mitautor des Kommentars zum Rechtspflegergesetz (9. Aufl. 2022) und des ZVG-Kommentars (16. Aufl. 2020) sowie Mitherausgeber der Zeitschrift „Rpfleger“.

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