Aktuelles Reiserecht – ein Überblick

Ein Beitrag von Prof. Dr. Klaus Tonner

Aktuell muss sich das Pauschalreiserecht den Herausforderungen der Corona-Krise stellen, von denen die Tourismuswirtschaft besonders betroffen ist. Nachdem sich im Zusammenhang mit der Insolvenz des Reiseveranstalters Thomas Cook das bisherige Insolvenzabsicherungssystem als unzureichend erwies, führte der Gesetzgeber überdies im Jahre 2021 einen Reisesicherungsfonds ein.

Eine Pauschalreise umfasst mindestens zwei Reiseleistungen, in der Regel Beförderung und Unterkunft. Aber Reiserecht ist nicht nur Pauschalreiserecht. Infolge der Digitalisierung können Reisende immer leichter über Plattformen die einzelnen Elemente einer Reise als selbständige Leistungen buchen. Die Regeln über die Luftbeförderung und die Hotelbuchung erlangen damit zunehmende Bedeutung. Auch die Frage, ob ein Anbieter als Vermittler oder Leistungserbringer agiert, wird infolge der Digitalisierung immer komplexer.

Pauschalreiserecht

Pauschalreise oder getrennt gebuchte Einzelleistungen?

Wer sich mit einem reiserechtlichen Problem befasst, muss zuerst prüfen, ob das BGB-Pauschalreiserecht anwendbar ist. Dies ist nur dann der Fall, wenn zwei verschiedene Reiseleistungen zum Zweck derselben Reise angeboten wurden. Eine Vermittlerklausel ist nur dann wirksam, wenn die einzelnen Reiseleistungen getrennt gebucht und eine getrennte Verpflichtung zur Zahlung eingegangen werden. Der Reiseanbieter kann ein hohes Interesse daran haben, nicht zum Reiseveranstalter zu werden, da er sonst dem hohen pauschalreiserechtlichen Gewährleistungsstandard genügen und eine Insolvenzabsicherung abschließen muss. Auf jeden Fall muss er bestimmte, im Gesetz detailliert aufgeführte Informationspflichten erfüllen.

 

Mängelhaftung – Mängeltabellen

Zum Alltaggeschäft des Pauschalreiserechts gehört es festzustellen, ob die Pauschalreise einen Mangel aufwies. Der Mangelbegriff wird durch eine umfassende Kasuistik ausgefüllt, die in Mängeltabellen aufbereitet ist. Die im Alltag wichtigste Rechtsfolge ist ein Minderungsanspruch, der verschuldensunabhängig zu gewähren ist. Daneben spielen Schadensersatzansprüche, vor allem wegen der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten, eine nicht zu vernachlässigende Rolle.

 

Insolvenzabsicherung

Der Reiseveranstalter muss sicherstellen, dass im Insolvenzfall dem Reisenden bereits geleistete Zahlungen erstattet und die Rückreise sichergestellt werden. Dazu muss er mit Wirkung ab dem 1.11.2021 mit dem Deutschen Reisesicherungsfonds einen Absicherungsvertrag abschließen. Kleinere Veranstalter können sich auch über eine Versicherung oder eine Bankbürgschaft absichern. Die bis zum 31.10.2021 zulässigen Haftungshöchstbeträge gelten nicht mehr. Über die Arbeitsweise des Reisesicherungsfonds wurde ein eigenes Gesetz, das Reisesicherungsfondsgesetz (RSG), erlassen. Es enthält u.a. detaillierte Vorschriften darüber, wie der Fonds das erforderliche Kapital aufzubauen hat.

 

Kostenlose Stornierung: Auswirkungen der Corona-Krise

Die Corona-Krise führte zu der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Reisender von einem Pauschalreisevertrag zurücktreten kann, ohne einen Teil des Reisepreises als Entschädigung zahlen zu müssen. Dabei verbieten sich schematische Lösungen; es ist stark auf den Einzelfall abzustellen. Dazu bildete sich inzwischen eine umfassende instanzgerichtliche Rechtsprechung. Ein Eingreifen des Gesetzgebers ist dagegen nicht in Sicht.

 

Beförderung

Der europäische Gesetzgeber erließ für jeden Verkehrsträger (Flug, Bahn, Schiff, Fernbus) eine Passagierrechte-Verordnung, die den Passagier mit Mindestrechten im Falle eine Nichtbeförderung, einer Annullierung oder einer Verspätung ausstatten. Die mit Abstand größte Bedeutung hat dabei die FluggastrechteVO aus dem Jahre 2001. Sie gewährt dem Fluggast nicht nur Ansprüche auf Betreuungsleistungen (Mahlzeiten, ggf. Hotelunterbringung) und ein Wahlrecht zwischen einer Erstattung des Flugpreises und einer Ersatzbeförderung, sondern auch auf sog. Ausgleichszahlungen. Das sind Beträge zwischen 250 und 600 EUR, die allein wegen der mit einer Annullierung oder Nichtbeförderung verbundenen Unannehmlichkeiten zu zahlen sind. Die Verordnung sieht ihrem Wortlaut nach eigentlich keine Ausgleichszahlungen im Verspätungsfall vor, doch gewährt der EuGH die Ausgleichszahlung analog bei einer Ankunftsverspätung ab drei Stunden. Damit verursachte der EuGH eine Fülle von Folgejudikatur, denn die Ausgleichszahlung ist nicht fällig, wenn unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftraten. Seit Jahren wird darum gestritten, wann diese Voraussetzung vorliegt. Die Kette der EuGH-Entscheidungen zur Ausgleichszahlung reißt nicht ab.

 

Unterkunft

Wesentlich weniger rechtliche Probleme verursacht der Beherbergungsvertrag, da hier außer einigen Vorgaben zur Gastwirtehaftung keine zwingenden gesetzlichen Vorgaben zu beachten sind. Die Verträge können also im Rahmen der Vertragsfreiheit und ihrer Grenzen durch das allgemeine AGB-Recht gestaltet werden. Wichtige Fragen wie Stornogebühren sind seit Jahren geklärt und selten Anlass rechtlicher Auseinandersetzungen im Verhältnis zwischen Hotel und Kunden.

 

Handbuch zum Reiserecht

Das Handbuch behandelt alle typischen und pandemiebedingt neuen Fragestellungen, vom Beherbergungsvertrag über das Pauschalreiserecht bis hin zu den Fluggastrechten, aus einer Hand.

Tonner / Bergmann / Blankenburg (Hrsg.)

Reiserecht

Reiserecht

Beförderungsrecht | Hotelrecht | Reiseversicherungsrecht | Lauterkeitsrecht | Internationales Privatrecht

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Die Autoren

Professor Dr. Klaus Tonner

war Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Reiserecht und ist gegenwärtig Vizepräsident des International Forum of Tour and Travel Advocats (IFTTA). Er ist Mit-Herausgeber der juristischen Fachzeitschriften „Verbraucher und Recht“ und „Reiserecht aktuell“. 

 

Dr. Stefanie Bergmann

ist als Rechtsanwältin auf das Reiserecht sowohl aus Sicht von Anbietern als auch Verbrauchern spezialisiert und tritt regelmäßig in Fachpublikationen in Erscheinung.

Dr. Daniel Blankenburg

ist als Richter am Amtsgericht Hannover mit zahlreichen reiserechtlichen Fällen befasst und publiziert zum Reiserecht.

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